"Menschen wollen betrogen werden" - Standfest-Managerbrevier hält dagegen!

23. März 2014, von Michael Schöfer Pure Kosmetik


Menschen wollen betrogen werden. Selbst wenn sie von der Täuschung Kenntnis haben, sind sie in der Regel trotzdem hellauf begeistert. Pamela Anderson beispielsweise wurde durch ihre üppige Oberweite zu einem Sexsymbol und war jahrelang die meistgeklickte Frau im Internet. Sie besaß zwei sehr gewichtige, wenngleich gefakte Argumente. Andere Sternchen, die sich gerne zum Star entwickeln würden, helfen mit Lippenmodellierung oder Botox-Spritzen nach. Den Männern scheinen künstliche Brüste oder unnatürlich wirkende Schmollmünder schnurzpiepegal zu sein. Und was dem weiblichen Teil der Menschheit die Silikonkissen, ist dem männlichen der mit Muskelaufbaupräperaten vollgepumpte Heldenkörper. Offensichtlich ist das den Frauen aber ebenfalls schnurzpiepegal. Der Homo sapiens ist halt ein visuelles Wesen.

Auch in der Politik gehört Kosmetik zum Geschäft. Wladimir Putin etwa, der seinem Volk häufig die nackte Männerbrust präsentiert, hat sich dadurch erfolgreich ein Macho-Image zugelegt. Bei dem angeblich von ihm in Notwehr betäubten sibirischen Tiger soll es sich indes um ein eigens herbeigeschafftes Tier aus dem Zoo gehandelt haben. Die Inszenierung ist dennoch geglückt.

In Nordkorea trägt der Personenkult besonders skurrile Züge, Machthaber Kim Jong-un wird dort von der Propaganda als "Genie der Genies" oder als "großartiger Führer" gepriesen. Sein Großvater, Kim Il-sung, ließ sich als "Großer Führer" feiern, sein Vater, Kim Jong-il, brachte es immerhin zum "geliebten Führer". Bei der Geburt von Kim Jong-il sollen übrigens der Legende nach "Vögel gesungen", "Blumen geblüht" und "zwei Regenbogen am Himmel erschienen sein". [1] Halleluja.

Andere Länder, andere Sitten: Was in Russland der Macho und in Nordkorea der Führer, ist in Deutschland der Doktortitel. Karl-Theodor zu Guttenberg hat einst verbreitet, er lese im Urlaub Platons Politeia. Im griechischen Original, wohlgemerkt. Was beim Wahlvolk natürlich ehrfurchtsvolles Raunen hervorrief. Guttenbergs Image eines Intellektuellen zerplatzte allerdings jäh, als sich seine Doktorarbeit als Plagiat entpuppte. Ausgleichende Gerechtigkeit: Mancher, der damals mit gespielter Abscheu reagierte, steht inzwischen ebenfalls ohne Doktortitel da.

Ein Plagiat ist gewissermaßen auch das, was man vor kurzem mithilfe von Satellitenbildern bei den Iranern entdeckte: Presseberichten zufolge soll die islamische Republik eine Flugzeugträger-Attrappe gebaut haben. Äußerlich handele es sich um den Nachbau der amerikanischen Nimitz-Klasse, sei aber 110 Meter kürzer als das 332 Meter lange Original. Das iranische Schiff sei ein großer Frachter, der dem Vorbild lediglich ähnlich sehe. Obgleich auf der Start- und Landeplattform kleine Flugzeuge herumstehen, soll der Nachbau kein funktionierender Flugzeugträger sein, so fehle ihm zum Beispiel auch der Antrieb. [2]

Was Wladimir Putin, Kim Jong-un und Karl-Theodor zu Guttenberg bezweckten, ist klar: Sie wollten die Bewunderung des Volkes einheimsen. Doch über die Motive des Iran, eine Flugzeugträger-Attrappe herzustellen, rätselt die Öffentlichkeit noch. Ob sich die 5. US-Flotte, die in Bahrain stationiert ist, davon beeindrucken lässt, ist mehr als fraglich. Vorsicht: Gelegentlich ist auch Humor eine furchtbare Waffe, es könnte sich also durchaus jemand totlachen. Nicht umsonst steckt man Kabarettisten in einigen Ländern ins Arbeitslager.

Neuerdings passieren ohnehin viel verwirrende Dinge: Seit dem 8. März wird eine Boeing 777 der Malaysia Airlines vermisst, das Flugzeug ist wie vom Erdboden verschluckt. Gerüchte, die Maschine sei auf der iranischen Flugzeugträger-Attrappe gelandet, sind jedoch definitiv falsch, dazu hätte nämlich nicht einmal ein echter Flugzeugträger ausgereicht. Die Machthaber in Teheran sind daher ausnahmsweise vollkommen unschuldig. Die Amerikaner, denen mittlerweile jede Schandtat zugetraut wird, wahrscheinlich genauso.

Wissenschaftler wollen jetzt das Echo der gigantischen kosmischen Inflation entdeckt haben, was die Deutschen mit ihrer Inflationsphobie erwartungsgemäß aufs Höchste beunruhigt. Und was macht EZB-Präsident Mario Draghi? Der schweigt sich dazu aus. Sagt bloß lapidar, es drohe weder Inflation noch Deflation. Ängstlich fragt der Kleinanleger, wem er nun mehr glauben soll - jenen im Elfenbeinturm oder denen im Frankfurter EZB-Tower?

"Papperlapapp", schimpft Angela Merkel, Deutschland gehe es gut. "Pure Kosmetik", hielt ihr Sigmar Gabriel früher entgegen - jedenfalls solange er auf der harten Oppositionsbank Platz nehmen musste. "Deutschlands Wirtschaft und unser Arbeitsmarkt sind in guter Verfassung", darf der frischgebackene Bundeswirtschaftsminister nunmehr stolz verkünden. [3] Also, wer das nicht absolut verwirrend findet, ist bestimmt SPD-Wähler.

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[1] Domradio vom 22.12.2011
[2] Focus vom 22.03.2014
[3] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Pressemitteilung vom 12.02.2014

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Am 23.03.2014 veröffentlicht